Es ist vollbracht. Sieben Jahre Anlauf und dann vom Punkt versenkt. Wir haben die erste ausgeschilderte Klassikerausfahrt organisiert. Und fast alle sind ins Ziel gekommen. Hoffen wir…
Die Schützen des Sankt Sebastianus Schützenvereins Düsseldorf 1316 waren leicht irritiert, dass am Sonntagmorgen nur 100 Meter von ihrem Aufmarsch entfernt sich vor einem Londoner Doppeldecker-Bus im Angesicht einer Eiffelturm-Kopie eine illustre Schar Rennradfahrer sammelte, von denen einige wirkten, als seien sie direkt aus den späten 70ern per Zeitmaschine zum Burgplatz gebeamt worden. Stahlrenner und Wolltrikots treffen Uniform und Humtata. Wie merkte Frieder Feldmann, DEG- und Frankreichfest-Pressesprecher und souveräner Pilot von Émile, dem Peugeot 304 Break, unserem Tête de la Course, so schön an: „Schützen und die Rennrad-Klassikergemeinde – die beiden entgegengesetzten Enden des Universums.“
Derweil wurden im strahlenden Sonnenschein Räder bewundert, Startnummern ausgegeben und die Lokalpresse führte Interviews mit Mitfahrern. Man merkt, dass das Interesse im Angesicht der kommenden Tour de France rapide ansteigt, immerhin war unsere Ausfahrt ja auch der Auftakt zu einem Jahr voller Veranstaltungen rund ums Rad in unserer Düsseldorfer Heimat.
Nach charmanter Moderation und Countdown von Jaële Vanuls, der jungen Dame aus Marseille, rollte das bunte Peloton unter der Führung des Peugeot 304GL schließlich püntlich um 11:00 Uhr Richtung Ratingen los. Die Fahrt durch die Stadt wurde eine Werbung fürs Radfahren, staunende Passanten auf Bürgersteigen fragten sich, wer da so entspannt mit erhobenen Köpfen auf blitzenden Rennern hinter dem petrolblauen Oldtimer über Düsseldorfs Straßen rollte.
Dann kam der Punkt, an dem Émile zur Seite fuhr und das Peloton die erste Steigung erklomm. Der eine schnell, der andere gemächlich, der Ausschilderung der Strecke sei Dank. In solchen Situationen wird offensichtlich, wie vielfältig die Motivationen sind, sich mit alte Rennern auseinander zu setzen. Der eine sammelt, schraubt, bastelt, poliert und pflegt und ist einfach stolz, die Ergebnisse seiner Arbeit einem kompetenten Publikum zu zeigen. Andere wiederum fahren, fahren und fahren, setzen sich hin und wieder auf den alten Renner, um sich bewusst von der Technikschlacht ums Rennrad zu befreien und den Spirit der “guten alten Zeit” zu spüren. Alle eint der Spaß, den mal bei den Touren mit den alten Maschinen hat, nur das Tempo variiert massiv.
So wunderte es auch kaum, dass einige bereits nach 10 Metern des steilsten Anstiegs aus den Pedalen stiegen, um zu Fuß die Spitze des ersten Hügels zu erklimmen. Die Hügel zwischen Ratingen Eggerscheid und Heiligenhaus gehören zu den landschaftlich schönsten Abschnitten, die man im Umland von Düsseldorf mit dem Rad befahren kann, sind allerdings für wenig trainierte FahrerInnen eine beachtliche Herausforderung.
Die ersten FahrerInnen an der Schnittstelle der 70er und 90er-Runde entschieden sich natürlich für die lange Runde und fuhren weiter Richtung Wülfrath, während andere sich auf die Abkürzung quer durch Heiligenhaus freuten, um an der Verpflegungsstation mitten auf dem Panoramaradweg Kalorien nach zu legen. Und es gab auch ausreichend Anlass, sich auf die Verpflegungsstation zu freuen, die Leckereien, die die Familie Hoppenot zusammengestellt haben, sieht man nicht so oft an einer Radstrecke: Quiche in unterschiedlichsten Variationen, kleine Häppchen mit Pastete oder Frischkäse und einem unglaublich leckeren Fruchtcocktail. Wie war das noch mit dem Spruch vom Leben wie Gott in Frankreich?
Derweil brannte die Juli-Sonne vom Himmel und der zweite Teil der Strecke rief: erst Mal abwärts über die Niederbergbahn-Trasse, unzählige Brücken querend rollten die Räder locker auf dem leichten Gefälle. Kurz nach dem Vogelsangbachtal wartete dann eine weitere Steigung auf die Teilnehmer, einige hundert Meter bergauf bis nach Hösel. Nach kurzer Ortsdurchfahrt ein weiterer kleiner Schmankerl: der kaputteste Abschnitt Schotter, den man weit und breit finden kann. Fieser Untergrund voller Schlaglöcher, Krater und Kanten. Gefolgt von einem schönen Stück über Mintarder Berg, weiter an Lintorf vorbei bis Düsseldorf Angermund. Spätestens hier schlug die Hitze voll zu, praller Sonnenschein und wenig Schattenabschnitte kosteten Kraft.
Über die Flughafenbrücke raus auf die andere Rheinseite, an der aufgebauten Kirmes vorbei und wieder zurück über die Kniebrücke, die letzten Meter auf heimischen Terrain waren relativ unspektakulär. Wobei dann einige Fahrer das Ziel nicht fanden, unsere Kommunikation hatte in dem Fall noch Luft nach oben. Auch unterwegs sind einige FahrerInnen verloren gegangen, einige sammelten sich wieder selbst ein, bei anderen hoffen wir, dass sie nicht bis zum heutigen Tag die kleinen Wege zwischen Mülheim und Ratingen abfahren. Schon schräg, dass es Vollpfosten gibt, denen das Abreißen von Wegmarkierungen offensichtlich Glückgefühle verschafft.
Das ein Mann starke Team Colombia wurde, so hörte man später, durch einen Defekt aus dem “Rennen” geworfen, verweigerte jedoch im Sinne der ersten Tour de France jegliche fremde Hilfe und trug sein Rad zu Fuss bis nach Düsseldorf. Wären wir die L’Eroica, würden wir von einem wahren Helden sprechen.
Fazit: es hat gerockt. Alle, die dabei waren, haben zusammen einen großen Tag erschaffen. Tolle Bilder, die sich für alle Zeiten auf der Netzhaut eingebrannt haben. Wir haben die Umgebung von Düsseldorf in angemessenem Licht erstrahlen lassen, hier kann man, wenn der Verkehr es zulässt, fantastische Strecken in wundervoller Landschaft erfahren. Wir wollen nicht verschweigen, dass es Autofahrer gibt, die an ihren Umgangsformen feilen müssen, Gruß in dem Sinne an den Fahrer im SUV, der mit gut 60 Sachen auf einem 2 Meter breiten Wirschaftsweg den Autor dieser Zeilen zu einem Sprung auf den Schotterseitenstreifen animiert hat: sowas kann ins Auge gehen.
Wir freuen uns, einen ordentlichen Auftakt in extrem spannende zwölf Monate rund um den Radsport in allen Facetten in Düsseldorf hingelegt zu haben. Wir freuen uns auf alles, was da kommt: Race am Rhein, Rund um die Kö, This is not Pottcrit, um ein paar Sachen zu nennen. Wir freuen uns auf eine wachsende Radsportgemeinde, auf einen guten Spirit und ein tolles Zusammengehörigkeitsgefühl. Und wir können bereits jetzt verraten, dass es Pläne gibt, Allez Allez in Düsseldorf zu etablieren. Dauerhaft. Wir wollen nicht zu viel versprechen, aber es sieht so aus als würden 2017 sieben Tage nach Tourstart zu einer neuen Runde mit dem Klassiker einladen. Ausgeschildert, versteht sich.
Klingt nach einem tollen Radsport-Tag! Irgendwann hol’ ich mir doch noch einen Retro-Renner und ich hoffe, dann gibt es wieder eine Klassikerausfahrt 🙂
Danke nochmal, gibt’s irgenwo noch mehr Bilders?
Großes Kompliment. Toller Radsport-Tag. Sehr gelungen und wieder mal schön und treffend beschrieben.
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liebe mützen,
da ist euch scheints was gelungen!! gratuliere!! macht richtig lust, da auch einmal “allez allez” zu spüren. weiterhin viel freude beim durch die landschaft gondeln und habt eine gute zeit bis das TdF-Fieber so richtig entflammt.
übrigens: feiner txt, wer immer ihn geschrieben hat
übrigens: https://shop.falter.at/rennradfieber-139609.html — Empfehlung!
grüße horst