You are currently viewing Die Klassikerausfahrt 2020 – und immer ein Stück weiter…

Die Klassikerausfahrt 2020 – und immer ein Stück weiter…

  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Kein Verein, keine Pflicht, keine Etikette, nur die schlichte Lust an alten Rennrädern. Hip oder unhip? Völlig egal. Dreckige Fingernägel vom Schrauben, schwere Beine vom Fahren und ein Schrank voller trashiger Trikots. Ein Faible für Popkultur, gute Bücher & Filme. Kaffee, Stahl & heiße Räder…

Im Januar 2011 haben wir so unsere eigene Begeisterung für klassische Stahlrenner und den damit verbundenen Kosmos in Worte gefasst. Plan war, die zwei Jahre zuvor als Rennrad-Klassiker-Treffen und -Ausfahrten angekündigten Touren für Räder mit Hakenpedalen und Unterrohrschalthebel bekannter zu machen. Inspiriert von der bereits bestehenden lokalen Sammler-Szene und ihrer Kompetenz wollten wir mit Hilfe einer eigenen Website unseren Veranstaltungen ein Forum geben. Im Nachhinein betrachtet nicht die schlechteste Idee.

Für viele Radsportler wirkte unser Blick zurück auf die Tage von Bartali, Coppi, Merckx, Thaler oder Hinault und die damit verbundene Zeitreise zu 5fach-Kränzen mit Heldenkurbel eher skurril. Leistungsorientierte Fahrer/innen feierten den Fortschritt durch Technik, Carbonrahmen und 10fach Schaltgruppen waren das Maß der Dinge. Unsere Unsitte, gerne mal einen Schotterabschnitt in eine Rennradtour einzubauen, sorgte eher für Kopfschütteln als für Verständnis oder Begeisterung. Schließlich hatte damals kaum jemand von dieser merkwürdigen Veranstaltung namens L’Eroica in dem italienischen Städtchen Gaiole nördlich von Siena gehört, wo man den Kampf für den Erhalt unbefestigter Wege im Chianti mit einem Radrennen für Oldtimer-Räder verknüpfte. 

Neun Jahre danach ist die L’Eroica ein weltweit gefeiertes Event, neben dem Original in der Toskana laden Ableger in England, Spanien, Japan, Benelux, Süd-Afrika, Kalifornien und Deutschland zur Ausfahrt im Wolltrikot. Das Angebot der gerne als Retro-Rides titulierten Runden reicht von der familientauglichen Tour für Event-Gäste bis zum ambitionierten Langstreckenritt für Leidensfähige. An vielen Orten der Welt entstanden weitere Klassikerrunden, in Europa sind u. a. die lieben Kollegen von In Velo Veritas, der Retro Ronde, Velo Classico, Anjou Velo Vintage und der Historica verantwortlich für abwechslungsreiche Ausfahrten in schönster Landschaft. Viele ambitionierte Radsportler/innen entdecken den Spaß, den eine kleine Zeitreise in die frühen Jahre des Radsports machen. Und wer sich die Zeit für eine längere Runde nimmt, stellt auch fest, dass hier nicht nur Kostümierung und Eventcharakter zählen, sondern der sportliche Faktor sich sehen lassen kann.

Ausfahrten und Teilebörsen der Kollegen waren auch für die Klassikerausfahrt von Beginn an Ausflugsziele und Inspiration, ob Stalen Ros in den Niederlanden, die Retro Ronde in Flandern, Anjou Velo Vintage oder immer wieder die L’Eroica in Gaiole, wir waren dabei. Treffpunkte mit vielen, die unsere Leidenschaft für alte Renner teilten. Bei unserer ersten L’Eroica 2010 entstanden Kontakte, die unseren Horizont erweiterten und parallel zu den Oldtimer-Foren bei Rennrad-News.de und im Tour-Magazin-Foren die Klassikergemeinde vom Internet in die Realität holten. Es gab viele andere und sie planten ähnliches, ob in Berlin, Köln, München, Wien oder sonstwo. 

(C) Marcus Pietrek

 

Da wir von Beginn an mit unseren monatlichen Touren ein etwas anderes Konzept als die Kollegen mit jährlichem Modus verfolgten, haben wir immer gern die Augen zugedrückt, wenn bei unseren Ausfahrten jemand mit modernem Material und entsprechender Ausrüstung am Start war. Schließlich kann man den technischen Fortschritten der letzten vierzig Jahre schon etwas abgewinnen, Bremsschalthebel, Klickpedale, Doppelgelenkbremsen und ergonomische Veränderungen sind ja kein Teufelszeug, sondern kleine Helfer, die den sportlichen Einsatz das Fahrrads erleichtern.

Uns war es bei den Ausfahrten immer wichtiger, im Peloton der angenehmen Menschen zu rollen und gemeinsame Gesprächthemen zu haben, statt historisch korrekt unterwegs zu sein. Im Winter 2013/2014 haben wir daher zum ersten Mal unter dem Namen Winterschlampenparade eine Veranstaltungsreihe konzipiert, die sich unter dem Banner der Klassikerausfahrt an alle richtete und richtet, die Lust auf eine regelmäßige winterliche Rennradausfahrt haben, unabhängig von Rahmenmaterial, Baujahr und Schaltgruppe.

Als wir im Juni 2014 mit Teilen des Klassikerausfahrt-Teams schließlich unser kleines Vereinsheim mit Café, Werkstatt und Minisortiment unter dem Namen Schicke Mütze eröffneten, war uns von Anfang an wichtig, ein Ort für alle Radfahrer/innen zu sein, unabhängig vom Gefährt. Wir haben damals nicht erwartet, dass unser Radcafé, Laden und Werkstatt und das damit verbundene Engagement mit Ausfahrten solch einen Zuspruch bekommen und sich im Kette-Rechts-Modus zum Treffpunkt und zur Anlaufstelle für so viele Radbegeisterte entwickeln würde.

Die Tradition der Klassikerausfahrten haben wir weiter fortgesetzt, auch wenn wir uns selbst durch das Format und den monatlichen Modus manchmal etwas limitiert fühlten. Der betriebene Aufwand mit Streckenplanung, Ankündigung mit Blogbeiträgen etc. pp. nahm viel Raum ein, während sich unser Freundes- und Mitfahrerkreis abseits der Klassiker-Community immer weiter vergrößerte und wir Lust auf Touren ohne den Fokus auf Baujahre der Fahrräder bekamen. 

Für Abwechslung sorgten in den Jahren die Touren anlässlich der bedeutenden Rennrad-Börse in Rommerskirchen. Der Teilemarkt auf dem Gelände einer alten Schule war über Jahre hinweg genau wie das niederländische Pendant Stalen Ros ein Treffpunkt für die gesamte Klassikerszene. Familiäre Atmosphäre, der passende Ort und die angemessenentspannte Organisation lockten Hobby-Aussteller aus dem Umland und Oldtimer-Profis aus ganz Europa gleichermaßen an. Und die Klassikerausfahrt bot am Samstagnachmittag einen schönen Auftakt für Besucher und Aussteller, indem man eine kleine Runde mit dem Rad fuhr und anschließend die ersten Geschäfte mit Teilen, Rahmen und Rädern abwickelte. Ein Eldorado für erfahrene Sammler und Neueinsteiger. 

Die Idee, im Sommer 2017 die Tour de France in unserer Heimatstadt begrüßen zu dürfen, hat uns als Schicke Mütze/Klassikerausfahrt-Team von Beginn begeistert. So erschien es nur schlüssig, im Juli 2016 als Auftakt des Grand Départ unter dem Titel „Allez Allez“ in Kooperation mit dem Frankreichfest der Stadt Düsseldorf eine erste beschilderte Ausgabe der Klassikerausfahrt zu realisieren.

Dass diese trotz enorm kurzem Zeitfenster ein ordentlicher Erfolg wurde und von allen Seiten Zuspruch bekam, ließ unsere Hoffnung wachsen, unsere Heimatstadt künftig einmal im Jahr mit einer schönen Runde für die international immer größer werdende Klassikergemeinde beglücken zu können, das Frankreichfest wäre sicherlich ein idealer Anlass gewesen. Verantwortliche des Fests konnten sich jedoch leider nicht dazu durchringen, unsere Fahrradrunde zukünftig in ihren jährlichen Ablaufplan einzubauen, eine gut organisierte Oldtimerrunde für Autofans reichte den Veranstaltern aus. Schade…

In Köln blieb unser Engagement rund um klassische Renner und unser taugliches Eventmanagement nicht verborgen, auf Einladung des umtriebigen und kompetenten Veranstalters Gino Baudrie konnten wir für zwei Jahre die Klassikerausfahrt im Rahmen von Cologne Classic in die Nachbarschaft nach Köln-Longerich exportieren.

Eine Rückkehr nach Düsseldorf hatte schließlich zwei Auslöser. Im letzten Jahr hat uns der liebe Horst Watzl der Wiener Kollegen von In Velo Veritas wieder wachgeküsst und überzeugt, eine gemeinsame Runde im Rahmen der Cyclingworld zu organisieren. Düsseldorfs Messe, innerhalb kürzester Zeit dank kreativer Ideen und guter Organisation zu einem der europäischen Hotspots für Radkultur geworden, lockte mit der Wiener Delegation der Selberbruzzler, In Velo Veritas und Gästen wie Klaus-Peter Thaler ein illustres Peloton für Oldtimer-Aficionados in die Landeshauptstadt. Die beschauliche Runde entlang des Rheins hat Gästen und uns Spaß gemacht und gezeigt, dass wir mit dem Thema Klassikerausfahrt noch längst nicht fertig sind. Und die Cyclingworld als Partner einer jährlichen Oldtimer-Runde für alle, deren Herz für die Schönheit und Technik der klassischen Renner schlägt, passt wunderbar. 

Wir selbst hätten vor mehr als 10 Jahren bei unseren ersten Aktivitäten rund um die alten Schätzchen selbst kaum erwartet, dass der klassische Stahlrenner eine solche Renaissance erlebt, wir Teil einer internationalen Szene der Radkultur werden und mit der Mütze einen Laden betreiben, der neben seiner Arbeit mit modernem Material nach wie vor ein gefragter Anlaufpunkt sowohl für erfahrene Sammler und als auch Neueinsteiger in den Klassikerkosmos ist.

Sicherlich ist unser Alltag heute oft von modernen Rädern geprägt, aber wir kennen die Wurzeln. Der Stellenwert, den das sogenannte Gravelbike heute unter sportlichen Rädern genießt, hat sicherlich mit seinen Möglichkeiten zu tun. Man ist schnell auf der Straße unterwegs, aber Fahrten im Schotter, auf rustikalem Boden machen ebenfalls viel Spaß. Wer sich hier mit der Entwicklung befasst, wird bemerken, dass es eigentlich nicht anderes ist, als die modernisierte und kreativ umgesetzte Version des perfekten Rads für die staubigen Pisten der Toskana. Der moderne Klassiker. 

Mit der 2020er Ausgabe der Klassikerausfahrt im Rahmen der Cyclingworld arbeiten wir nun zum ersten Mal mit dem Organisatoren der deutschen Eroica zusammen. Es dürfte ein spannendes Peloton werden, dass am 22. März vom Areal Böhler losrollt. 

Zu einer echten Klassikerausfahrt gehören die Fragen nach dem Material, nach den zugelassenen Baujahren. Einfach weil viele Angst haben, alleine stehen bleiben zu müssen, während ein gutgelauntes Klassikerpeloton losrollt. Entspannt euch. Kommt mit einem Rad, das in das Raster passt und fahrt so, wie es euch behagt: ihr seid mit dem Youngtimer mit 8fach-Schaltbremshebeln genau so gern gesehen wie mit dem 50er Jahre Bauer. Wichtig ist, dass das Rad technisch in gutem Zustand ist und eine Strecke von 60 Kilometer locker übersteht. Wenn ihr euch mit Klickpedalen sicherer fühlt, müsst ihr keine Körbchen fahren, alte Klicker haben durchaus ihre Reize. Nicht angemessen ist der Auftritt mit dem acht Jahre alten, runtergerocktem Aluboliden von der Stange. Nicht falsch verstehen, aber es wird im Rahmen der Messe viele andere Touren geben, die sich nicht über Material definieren. Bei der Klassikernummer ist das halt anders. 

Was Bekleidung angeht: wir freuen uns über ein zeitgemäßes Outfit. Und schicken auch hier niemand weg, der das etwas gewagter interpretiert. Beim Helm freuen wir uns darüber, wenn ihr ihn tragt, falls es euch nicht behagt, so ist auch dies kein Ausschlusskriterium. 

Ihr dürft euch auf eine ca. 60 Kilometer kurze lockere Runde im entspannten Tempo freuen. Wir werden einen kleinen Einblick in unsere schöne Düsseldorfer Umgebung bieten und unterwegs einen kleinen Stop einbauen. Nach der Rückkehr zur Messe werden euch Silke und Uwe vom deutschen Eroica-Veranstalter Wellenmaschine empfangen und einen kleinen Snack und Umtrunk in der Messehalle für euch bereit halten. Austausch und Plaudereien garantiert.  

Die limitierten Tickets gibt es hier bei Eventbrite.

Klassikerausfahrt 2020 – Zu Gast auf der Cyclingworld

Ca. 60 Kilometer Spaß, veranstaltet von Klassikerausfahrt in Kooperation mit L’Eroica Germania & Die Wellenmaschine, Start am 22. März 2020 um 11:00 Uhr, Cyclingworld Düsseldorf, Areal Böhler, Hansaallee 321, 40549 Düsseldorf. Teilnahmegebühr € 10,-

Schreibe einen Kommentar