Sonntagmorgen, 9:00 Uhr. Gaiole, Hotel Cämpinski, Diamant-Suite. Ein paar L’Eroica-Greenhorns und rekonvaleszente Haudegen wollen zusammen die 75 KM reiten. Die Zossen sind aufgezäumt und blinken in der Morgensonne. Noch.
Im Startbereich internationaler Aufgalopp. Hunderte ReiterInnen werden langsam und recht entspannt durchs gesamte Dorf und dann durch die schmale Schleuse des Startbereichs geführt. Versteht eigentlich irgendjemand den Sprecher, der da vorne seit 20 Minuten wilde Geschichten erzählt? Warum hat der Typ vor uns Aero-Bremshebel und trotzdem ne Startnummer? Und ist das wirklich Francesco Moser am Start? Egal, wir sind nicht zum Spaß hier.
Es folgt ein lockeres Einrollen auf Asphalt. Auf der Steigung kurz vor Brolio ein erster Schreckmoment im Vorbeifahren: Krankenwagen und Blutspuren auf der Strasse. Später soll sich herausstellen: Gabelbruch und dadurch heftiger Sturz. Wir haben alle nur unsere Caps auf, keine Helme… aber bangemachen gilt nicht. Der Verletzte sitzt übrigens am Ende des Tages mit Freunden auf der Hauptstrasse in Gaiole, eingewickelt wie eine Mumie, aber ganz lebendig.
In Brolio der erste Übergang auf Schotter. Ein etwas schmalerer Weg hinauf zum Kastell, Reste der Öllampen zur Beleuchtung der Strecke am frühen Morgen glimmen noch. Der Untergrund und vor allem der Anstieg macht Etlichen zu schaffen. Es wird kreuz und quer über den Weg hinauf geschoben, gerne auch zu dritt nebeneinander plaudernd. Wir drücken hoch, schlängeln uns ohne absteigen zu müssen durch. Nach kurzer Zeit hat sich unsere Gruppe an der Kuppe versammelt und es geht ernsthaft auf die Strecke.
Nun beginnen die Herausforderungen der “Strade Bianchi”, die erste steile Abfahrt auf Schotter. Abwechslungsreich. Grober Schotter, feiner Schotter, fester Schotter, lockerer Schotter. Die innere Ruhe ist gefragt, da hier diverse zusätzliche Prüfungen das fahrerische Können fordern. Ob vollbremsende, außer Konkurrenz fahrende MTBlerinnen, die “Pronto” in Ihr Mobiltelefon flöten, oder unter totalem Kontrollverlust leidende, bergab kullernde „Hobbyfahrer“ – wir meistern mit Lässigkeit, Ignoranz und Dusel alle Herausforderungen.
Kaum ist die Schotterstrecke vorbei, lassen wir unsere Beine fliegen und preschen an allem vorbei, auch an den Jeeps der Fotografen. Schotter und Asphalt wechseln sich nun ab, die Steigungen sind alle recht harmlos und können uns nicht schocken. Das monatelange Training in den Eggerscheider Alpen macht sich endlich bezahlt. Und langsam wird es richtig warm, der heißeste Oktobertag in der Toskana seit 4356 Jahren wartet auf uns. Genau richtig, kalt war es ja den ganzen Sommer über in Deutschland. Eine Wonne nochmal richtig durchgewärmt zu werden.
Der Ausblick lässt uns regelmäßig den Atem stocken, in dieser Landschaft zu radeln ist einmalig. Bis zum Horizont ziehen sich leichte wellige Hügel. Aus der Distanz sehen sie alle harmlos aus. Dass dem nicht so ist, wissen die Fahrer der langen Strecken nur zu gut.
Irgendwann wartet auch auf uns wieder eine kleine böse Querfeldeinprüfung: Sehr steile Schotterabfahrt und direkt folgend ein ebensolcher, kurzer Anstieg auf selbigem Untergrund. Also nix mit Schwung holen und durch, sondern langsam und vorsichtig kurbeln. Wiegetritt geht bei dem Boden nicht. Wenn die Traktion fehlt gibt’s keine zweite Chance. Einigen gelingt es im Sattel zu bleiben, viele erklimmen zu Fuß den kleinen Hügel. Oben wartet ein kleines Kruzifix auf „Drei Stoßgebete für ein Achtundzwanziger“. Wir genießen eine kurze Rast im Schatten, dann ist unsere Mannschaft wieder beisammen und startklar. Es geht weiter…
Stimmt natürlich, Fortsetzung folgt…
Hehe,
Ihr seid mir zwei Speichhenhelden… -)))
Freue mich schon auf die Fortsetzung der Speichengeschichte. Bin gespannt, ob Ihr immer eine handbreit prall gefüllte Karakasse zwischen Felge und Schotter hattet…
eingestaubte Grüße
Ciao Carsten.
Freu mich schon auf den Showdown. Rapporto bello!
Markus