Ein Buch, welches man während eines Radsporturlaubs auf Mallorca allabendlich gerne zur Hand nimmt, muss ein wirklich gutes Buch sein. Ausgepumpt von den täglichen Touren können eigentlich nur Krimis wirklich fesseln. Oder eben ein Radsportbuch, das so humorvoll und begeisternd mit dem Thema Rennradfahren umgeht, wie man das selbst nach einer absolvierten Tagesstrecke von 140km gerne können möchte.
Befeuert von einer kreativen Notlüge, gesundem Ehrgeiz und einer saftigen Portion Selbstironie macht sich der Autor Rainer Sprehe auf, die Strecke der legendären Friedensfahrt durch Deutschlands Osten, Polen und Tschechien bzw. die Slowakei nachzufahren. Er orientiert sich an der Originalstrecke von 1952, dem ersten Jahr, in dem die “Tour de France des Ostens” auch wieder deutschen Boden befuhr. Die Rahmenbedingungen haben sich natürlich in den letzten 50 Jahren leicht verändert, auf Radfahrer wurde bei der modernen Verkehrsplanung nicht immer Rücksicht genommen. Im Gegensatz zu den professionellen Athleten der Friedensfahrt muss Sprehe sein Gepäck selbst transportieren, sein treues Rennrad mutiert so zum Packesel. Ein extremer Wintereinbruch im Mai verleitet ihn aber auch mal dazu, nahezu den gesamten Inhalt der Packtaschen im Zwiebelprinzip übereinander zu ziehen. Dass es dennoch nass und kalt wird versteht sich von selbst. Wie der geneigte Leser erahnt: alle Zutaten für die ganz große Tragikomödie sind im Gepäck. Die Tour hält die vielfältigsten Prüfungen für den Autor parat, der alte Witz von der Tor-Tour darf gezündet werden.
Der Radsport war ja bekanntlich schon immer ein Sport für Menschen, die sich selbst gerne quälen. Aber selten wird die LEIDENschaft in ihrer ganzen Tragweite so wunderbar veranschaulicht wie in diesem Buch. Gedanken zu Land & Leuten, Straßenverkehr und seine nationalen Eigenarten, Ernährung, Gastronomie und Hotelwesen sowie wunderbare Rückblicke auf charmante Anekdoten aus dem bunten Geschichtsbuch der Friedensfahrt machen „Alles Rower? Ein Wessi auf Friedensfahrt“ zu einem Lesevergnügen von der ersten bis zur letzten Seite. Für Radsportler sowieso, aber auch für alle, die einfach mal wissen wollen, warum sich immer mehr Männer in ihren besten Jahren auf so ein merkwürdiges Gefährt mit bretthartem Sattel setzen.
Rainer Sprehe, Autor dieses tollen On-the-Road-Romans, ist übrigens der Mann hinter DEM deutschen Verlag für Radsportkultur, dem Covadonga-Verlag. Seinen trockenen westfälischen Wortwitz hat er in frühen Jahren unter anderem als Autor des legendären Bielefelder Fußball-Fanzines “Um halb vier war die Welt noch in Ordnung”, dem Vorläufer der 11Freunde, geschult. Und sein Verlagsprogramm lässt Freunde der vielfältigen Radsportkultur immer wieder auf die Knie fallen und dafür danken, dass man essentielle Standardwerke auch auf Deutsch genießen kann. Geballte Radsportkompetenz & ein wacher Geist.
Wie der Zufall es will gibt es gerade in der ebenfalls empfehlenswerten englischsprachigen Radsport-Zeitschrift Rouleur eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der Friedensfahrt. Ein komplett anderer Blickwinkel, wenig Humor, alles sehr nüchtern, aber als Ergänzung informativ. Und Fans können im zugehörigen Shop hochwertige Drucke der toll gestalteten Originalplakate erstehen.
„Alles Rower? Ein Wessi auf Friedensfahrt“ (Covadonga Verlag, 2012, ISBN 978-3-936973-70-9) ist im gut sortierten Buchhandel erhältlich. Oder unter www.covadonga.de/shop
Und es gibt außerdem auch einen Blog zum Buch: http://alles-rower.de/
Für die „Liga der ehrenwerten Quark- und Eisenwaden“. Also über Radsport, den eigenen Ehrgeiz und alle damit verbundenen Situationen, Fallstricke und Pannen. Toll.