Die Klassikerausfahrtmannschaft gehört sicherlich nicht zu den wetterfühligsten Zeitgenossen unter der üblichen deutschen Wolkenlandschaft, aber wir haben den Sonnenschein der letzen Wochen intensiv genutzt, um auf dem Rad an unseren „Tanlines“ zu arbeiten. Wenn dann nach den beinharten Ausfahrten am Abend noch ein Fünkchen Verstand in unseren Hirnen waberte, so haben wir manchmal zu einem neuen Werk der Radsportliteratur gegriffen, um den Stapel an Büchern, der vor uns liegt, auch mal etwas kleiner zu lesen….
Das erste Buch auf unserem Stapel trägt den nicht gerade zurückhaltenden Titel „Die Philosophie des Radfahrens“. Allerdings hat sich schlauerweise kein einzelner Autor daran gemacht, uns die ultimative Weisheit zum Leben auf zwei Rädern zu vermitteln, sondern das Buch ist eine Textsammlung verschiedenster Autoren und Themen, die sich aus unterschiedlichsten Blickwinkeln mit dem Thema Radfahren beschäftigen. Die Themengebiete sind daher ebenso vielfältig wie die Gründe, sich auf sein Rad zu setzen. Ob als täglicher Pendler, der dem Stau entgehen möchte, als Sportlerin, die Leistungsziele verwirklichen will oder als Aktivist, der vor Ort Critical Mass Veranstaltungen organisiert: alle diese Menschen sehen das Fahrrad als Mittel zum Zweck an. Und erliegen der Faszination der muskelbetrieben Bewegung auf zwei Rädern.
Einige Texte des Buches sind für uns Triebtäter etwas zu theoretisch (vulg.: furztrocken) abgefasst, aber das liegt bei einer solchen Zusammenstellung in der Natur der Sache. Dafür gibt es Kapitel, die uns begeistern, neue Erkenntnisse vermitteln und viele der eigenen Gedanken in passende schöne Worte fassen. „Rad fahren lernen“ ruft zum Beispiel alte Erinnerungen hervor, die ersten eigenen wackeligen Versuche auf dem Rad und die damit verbundenen Stürze kommen wieder zum Vorschein. „Rad fahren wie ein Mädchen“ widmet sich den geschlechterspezifischen Unterschieden und „Auf die harte Tour“ zeigt uns, dass nicht wir alleine einige Lektionen auf eine schmerzhaft dämliche Art und Weise gelernt haben. Der Text „Eddy Merckx – Ist der Kannibale ein fairer Sportler“ beleuchtet den ultimativen Klassikerhelden aus einer sehr interessanten Richtung und vermittelt uns spannende Gedanken zum Thema Wettkampf und Rivalität. Prädikat Lesenswert.
Ach ja: Schade, dass unser allerliebster Text über das Rennradfahren, „Die letzte Kehre“ von Konrad Paul Liessmann nicht enthalten ist, aber den gibt es ja auch hier auf der Website zu lesen.
So, es geht weiter mit dem Abbau des Bücherstapels: „Velo 2nd Gear – Bicycle Culture and Style“ ist der hippe Gegenentwurf zum ersten Buch. Der Berliner Gestalten-Verlag gönnt sich in seinem großformatigen Bild- und Textband einen Blick auf die umfangreichen Möglichkeiten, mit denen sich Menschen überall auf der Welt mit ihrem Rad und dem Leben mit dem Rad auseinander setzen.
Natürlich werden die Lifestyle-Komponenten der jungen, entstehenden Radkultur in den buntesten Farben beleuchtet, was für Puristen lediglich überflüssiger SchnickSchnack ist. Wir als Ästheten und Stylepäpste unter den Radsportfreunden können jedoch auch dieser Facette der Radkultur viel abgewinnen, da uns letztenendes jedes Mittel recht ist, dass Menschen zum Rad fahren verführt. Und Verführung wird in diesem Buch groß geschrieben: bunte, durchgestylte Megahipsterschleudern, klassische Bahnräder, die kunstvolle Auseinandersetzung mit Brooks-Sätteln und Radregalen, Fat Tires, Trekkingräder, Holzräder, die smarten Brummer von Ritte van Vlaanderen, unsere vielgerühmte RetroRonde, Cicli Berlinetta, Rapha und Look Mum No Hands: alles drin, alles dabei. Kurzum: das perfekte Coffeetablebook zum immer wieder durchblättern. Und das Auge verweilt bei unzähligen schönen Dingen der Radkultur.
Ebenfalls ein großes schweres Ding für den Kaffeetisch ist das englischsprachige Buch „Italian Racing Bicycles – The People, the Products, the passion“ von Guido P. Rubino. In alphabetischer Reihenfolge werden die 40 legendärsten italienischen Radsport-Unternehmen aufgelistet. Beispiele? Wie wäre es mit Bianchi, Campagnolo, Cinelli, Colnago, Deda, De Rosa, Masi, Modolo, Selle San Marco? Wobei dies nur die populärsten der vorgestellten Firmen sind. Wir erfahren Wissenswertes über die Gründungsgeschichte, die Menschen hinter den Namen, ihre bedeutendsten Erzeugnisse und Entwicklungen bis zum heutigen Tag. Ein unverzichtbares Standardwerk für alle Aficionados der italienischen Radsportgeschichte.
Nun etwas ganz anderes: „Spinning ist was für Friseure“. Herrlich. Wir als gemeinhin anerkannte Sprücheklopfer lieben diese Zitatensammlungen, in den man Fahrern, Journalisten und anderen Beteiligten aus dem Radsportzirkus aufs Maul geschaut hat. Unzählige Klopper der Marke „Immer dasselbe. Du denkst, da liegt eine blutende Karotte auf der Straße, dabei ist es nur ein Euskatel-Fahrer“ neben den wunderschönen Plattitüden eines Lance Armstrong, deren volle Bedeutung erst nach seiner herzerweichenden Dopingbeichte deutlich wird. Weisheiten, Bonmots, Kalauer und dumme Sprüche, die man auf gemeinsamen Ausfahrten immer wieder zitieren kann. Vorausgesetzt, man kann sich das alles merken.
Merken müssen wir uns schließlich auch noch die wichtigsten Regeln im Radsport: „The Rules“. Nein keine Angst, wir haben nicht den Flirtbestseller für die Singlefrau von heute “The Rules: Time-tested Secrets for Capturing the Heart of Mr. Right” oder eine seiner Fortsetzungen gelesen, hier geht es schließlich um Radsport, nicht um Frauengeschichten. Wir schreiben über „The Rules – The Way of the cycling disciple“. Verbrochen hat dieses Werk mit 91 Regeln, die uns allen endlich feste Bezugspunkte und Verhaltensmuster in den vielfältigsten Situationen unseres Lebens als Radsportler geben, ein unter dem Namen „Velominati – Keepers of the Cog“ firmierendes Autorenkollektiv, deren Website www.velominati.com für uns Geistesverwandte seit geraumer Zeit sprudelnder Quell an Inspiration ist. Nachdem man die Regeln bereits seit geraumer Zeit im Netz lesen kann, sind sie nun für den traditionsbewussten Radsportler mit Stil endlich auch in gebundener Form erschienen. Ein Gewinn für jeden Bücherschrank.
Oh oh! This brave english gentleman hasn’t heard of rule #49: Keep the rubber side down.
Doch Obacht: diese Regeln erwarten eine vollständige Unterwerfung des Individuums, schließlich lautet Rule #1: Obey the Rules. Wer sich darauf einlässt, dem gehen nie die Argumente aus: Rule #6: Free your mind and your legs will follow. Oder Rule # 11: Family does not come first. The bike does. # 5: Harden the fuck up. Undsoweiterundsofort. Natürlich wird jede Regel untermauert, einwandfrei argumentiert und mit Beispielen unterfüttert. Somit bekommt wirklich jeder sein Fett weg, jeder darf sich auf den Arm genommen oder an die Nase gefasst fühlen. Auch wir. Immerhin haben wir bei einigen der Regeln beim Lesen schallend gelacht. Und uns gegenseitig vorgeworfen, dass schon immer gewusst zu haben. Wir warten auf eine deutsche Übersetzung. Damit auch der hiesige Radsport endlich Stil, Würde und beinharte Regeln bekommt. Es ist an der Zeit.
Frei nach Regel #58: „Support your local bike shop“: Falls euch unsere Buchtipps gefallen haben und ihr ebenso belesene Klugscheißer werden wollt wie wir, geht los und kauft oder bestellt die Bücher bei Eurem Buchladen um die Ecke. Denkt daran, wenn alle nur im Netz kaufen, gibt’s irgendwann keine Läden mehr. Und dann ist das Geschrei groß.
Die Philosophie des Radfahrens – Mairisch Verlag ISBN 978-3-938539-26-2
Andreas Beune – Spinning ist was für Friseure – Covadonga Verlag ISBN 978-3-936973-79-2
Velominati – The Rules: The Way of the Cycling Disciple – Sceptre ISBN 978-1-444-76751-3
Velo 2nd Gear – Bicycle Culture and Style – Gestalten Verlag ISBN 978-3-89955-473-1
Guido P. Rubino – Italian Racing Bicycles – Velo Press ISBN 978-1-934030-66-0
Man könnte nun über die Plastikkappen auf den Ventilen des Ti-Teamsters reden… Findet sich darüber nichts in der Regelkunde?
Ich hab selbst nicht alle Regeln auswendig drauf und in meinem Alter vergisst man ja einiges wieder furchtbar schnell, daher musste ich kurz nachschauen:
Rule #60
// Ditch the washer-nut and valve-stem cap.
You are not, under any circumstances, to employ the use of the washer-nut and valve-stem cap that come with your inner-tubes or tubulars. They are only supplied to meet shipping regulations. They are useless when it comes to tubes and tires.
Weitere Regeln wie “# 33: Shave your guns” will ich mal gar nicht erwähnen…
(C) Velominati: The Rules
Toller Beitrag zu Fahrradliteratur. Ich komme gerade aus der Mittgaspause t´zurück und habe in einem Antiquariat ein altes Buch über Fahrradpatente gefunden. Auch ganz witzig.
Ach, und noch ein Lesetipp: http://st-pedali.blogspot.de
Toller Beitrag zu Fahrradliteratur. Ich komme gerade aus der Mittgaspause zurück und habe in einem Antiquariat ein altes Buch über Fahrradpatente gefunden. Auch ganz witzig.
Ach, und noch ein Lesetipp: http://st-pedali.blogspot.de