Eine L’Eroica-Kontrollkarte mit fehlenden Stempeln sieht nach Pfusch aus. Das denkt sich auch unser Mitfahrer Franz, der 3km nach der Verpflegungsstation eine kleine flotte “Sche***, ich hab den Stempel vergessen”-Bonusrunde einlegen muss. Der Rest der illustren Truppe rollt derweil locker plaudernd die Schotterstrecke bergauf. Naja, halbwegs locker zumindest.
Kaum sind wir wieder vollzählig, erhöht sich die Schlagzahl deutlich. Nach dem Geröll gibt’s asphaltierte Strassen, jetzt erstmal einige Kilometer bergab, Serpentinen, rollen lassen, sauschnell werden… kurzum: der erholsame, enormen Fahrspass spendende Teil der L’Eroica, vorausgesetzt man kann seinem Material vertrauen.
In uns steckt noch Saft. Auf dem nun folgenden, fast ebenen Streckenabschnitt fliegen wir mit unserer Düsseldorf-Berlin-Augsburg-Wien-Undwoauchimmersonstnochher-Allstarmannschaft hintereinander über die Bodenwellen und lassen etliche Fahrer weit hinter uns. Zeit für dicke Hose. Es reicht zwar nicht ganz zum klassischen belgischen Kreisel, aber so was wie eine italienische Sparvariante kommt zustande. Flott sind wir allemal, wenn auch etwas unorthodox.
Die letzten, gar nicht mal so wenigen Höhenmeter werden vergleichsweise locker weggedrückt, auch die folgende mit Spurrillen, tiefem Kiesel und ignoranten Autofahrern bestückte Schotterpiste kann uns jetzt nicht mehr schocken. Unsere Räder sind nicht zu bremsen, entwickeln bergauf wie bergab ein Eigenleben und wollen wie wir endlich die Zieleinfahrt genießen. Selbst der haushohe Bus, der uns die Strasse versperrt, kann uns nicht lange aufhalten, wir fliegen förmlich ins Ziel, schnappen uns im Vorbeifahren unseren merkwürdigen L’Eroica-Kuchen und stürmen das erste Bistro der Hauptstrasse von Gaiole, um den Kühlschrank zu plündern und leckeres kaltes italienisches Bier durch unseren Kehlen fließen zu lassen. Prost! Salute!
Wir sind umgeben von freudig-strahlenden Gesichtern. Spaß und Erschöpfung und der verständliche Stolz auf die vollbrachte Leistung sind förmlich mit Händen zu greifen. Ganz Gaiole gleicht einem Dorffest, Fahrer, Räder, Zuschauer füllen die Strassen und Plätze, die offizielle L’Eroica-Kapelle spielt dazu den Marsch. Mehr Bier wird geholt, Freunde der 135km-Runde stoßen zu uns. Dann geht es erstmal zu unserem schottischen Helden der Landstrasse, der am Stand der Ghisallo- Holzfelgenmanufaktur mit seinem gelben Rickert auf uns gewartet hat.
Zurück im Dorfkern posieren wir dann mit der kompletten Düsseldorfer Delegation vor einer L’Eroica-Fahne für unsere Fotografen bevor es zu Basta-Pasta, Rotwein & Schinken in das aufgebaute Festzelt weitergeht. Einfache italienische Küche, aber nach der Tour unglaublich lecker. Wir lauschen den Geschichten der Fahrer der längeren Strecken, dann heißt es Abschied nehmen.
Bevor wir die Beine hochlegen können wartet noch eine weitere kleine Bergprüfung auf uns, zum Kloster Coltibuono, unserer Heimstatt, geht es schließlich 5 Kilometer stetig bergauf. Also mal komplett abschalten, nicht reden, Muli-Modus, die schweren Beine kurbeln einfach weiter bis die letzte Bergkuppe überwunden ist. Bier, Rotwein & Pasta haben geholfen: das Doping des Klassikerfahrers. Helden fühlen sich zwar garantiert anders als wir und absolvieren solche 75km-Mädchenstrecken mit einem Bein, aber egal, wir hatten Spaß, haben’s geschafft und wissen eines ganz genau: Nächstes Jahr wollen wir mehr! Da warten, sofern alles gut weitergeht, die 135km auf uns. Also gibt’s mehr Bilder, mehr Geschichten und ein klein wenig mehr Quälerei. Wir freuen uns drauf.
Unser Dank gilt allen Beteiligten, Organisatoren, Freunden, Trimm- und Hobbyfahrern.
Gott, hatten wir einen Spaß!